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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Montag, 30. Januar 2023 - 12:38 Uhr

von dpa

© Daniel Cole/AP/dpa

Ungeachtet der derzeit schwierigen Lage an der Front hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gegenüber den russischen Angreifern siegessicher gezeigt. „2023 muss und wird definitiv das Jahr unseres Sieges sein!“, schrieb Selenskyj gestern auf Telegram. In seiner allabendlichen Videoansprache räumte er mit Blick auf den schwer umkämpften Osten seines Landes zugleich ein: „Die Situation ist sehr hart.“

Schweren russischen Beschuss meldete die Ukraine unterdessen auch im Süden auf die Stadt Cherson sowie im Osten auf Charkiw.

Selenskyj: Russland will Krieg in die Länge ziehen

Im Gebiet Donezk seien vor allem die Städte Bachmut und Wuhledar weiter ständigem russischem Beschuss ausgesetzt, sagte Selenskyj. Trotz hoher Verluste in den eigenen Reihen reduzierten die Russen ihre Angriffsintensität dort nicht. „Russland hofft, den Krieg zu verlängern und unsere Kräfte zu erschöpfen.“

„Also müssen wir die Zeit zu unserer Waffe machen. Wir müssen die Ereignisse beschleunigen“, meinte der ukrainische Staatschef. Insbesondere die Geschwindigkeit bei der Lieferung ausländischer Militärhilfen sei ein Schlüsselfaktor in diesem Krieg. Selenskyj pochte zudem einmal mehr auf weitere Waffenlieferungen über die kürzlich vom Westen zugesagten Kampfpanzer hinaus.

Kreml dementiert Drohungen Putins gegenüber Johnson

Der Kreml hat angebliche Drohungen von Präsident Wladimir Putin gegenüber dem ehemaligen britischen Premier Boris Johnson dementiert. „Das, was Herr Johnson gesagt hat, ist nicht wahr. Genauer gesagt, ist es eine Lüge“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge.

Johnson hatte zuvor behauptet, der russische Präsident habe ihm persönlich mit einem Raketenangriff gedroht. „Er hat mir irgendwann quasi gedroht und gesagt, „Boris, ich will dir nicht weh tun, aber mit einer Rakete würde es nur eine Minute dauern“ oder so ähnlich“, sagte Johnson in einer BBC-Dokumentation.

Nach Angaben Moskaus ist dieser Satz aber nie gefallen. Es handle sich entweder um eine bewusste Lüge, oder aber Johnson habe einfach nicht verstanden, worüber Putin mit ihm sprach, sagte Peskow. Demnach ging es bei dem Gespräch um Putins Sorge vor einem Raketenangriff auf Moskau. Durch den Aufbau von Nato-Stützpunkten in der Ukraine könnten US-Raketen innerhalb von Minuten Moskau erreichen, habe Putin damals gewarnt. Die BBC-Dokumentation kommentierte Peskow mit den Worten: „Wenn der Rest des Films nach dem gleichen Muster läuft, dann würden wir Ihnen nicht raten, damit Ihre Zeit zu verschwenden.“ Zugleich warnte er mit Blick auf westliche Waffen erneut vor einer weiteren Eskalation des Konflikts in der Ukraine.

China macht USA für Krieg in Ukraine verantwortlich

China macht unterdessen die Vereinigten Staaten für den Krieg in der Ukraine verantwortlich. „Die USA sind diejenigen, die die Ukraine-Krise ausgelöst haben“, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning in Peking. Sie seien auch „der größte Faktor, der die Krise anfacht“. Indem die USA schwere und offensive Waffen an die Ukraine lieferten, verlängerten und verstärkten sie den Konflikt nur. Die Volksrepublik China hat Russlands Vorgehen nie verurteilt.

Mit den Anschuldigungen reagierte Mao Ning auf eine Frage nach amerikanischen Vorwürfen, dass chinesische Unternehmen möglicherweise die russische Seite unterstützten. Die Sprecherin sprach von „unbegründeten Verdächtigungen“ und „grundloser Erpressung“. China werde nicht untätig bleiben, wenn die USA die legitimen Rechte und Interessen chinesischer Unternehmen schädigten.

„Wenn die USA wirklich die Krise bald beendigen wollen und sich um das Leben der Menschen in der Ukraine sorgen, müssen sie aufhören, Waffen zu liefern und von den Kämpfen zu profitieren“, sagte Mao Ning. Die Verschärfung im Ton erfolgte nur wenige Tage vor einem Besuch des US-Außenministers Antony Blinken, der am Sonntag und Montag in Peking erwartet wird. Zuletzt war dort im Oktober 2018 ein US-Außenminister zu Gast.

Scholz kritisiert Debatte über Lieferung von Kampfjets

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Debatte über die Lieferung von Kampfjets in die Ukraine kritisiert. „Es ist eigenwillig, dass diese Debatte geführt wird. Mancher muss sich schon fragen: Warum stellt er die Frage, wo es doch darum geht, den Ukrainern zu helfen“, sagte Scholz gestern Abend (Ortszeit) auf einer Pressekonferenz in Santiago de Chile. Es sei jetzt eine seriöse Debatte notwendig und nicht „ein Überbietungswettbewerb (...), bei dem vielleicht innenpolitische Motive statt die Unterstützung der Ukraine im Vordergrund stehen“. In einer so wichtigen Frage wie Waffenlieferungen müsse es um die Sache und um rationale Abwägungen gehen, betonte Scholz.

Die Ukraine fordert Kampfjets, die USA haben eine Lieferung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken schloss die Lieferung von Kampfflugzeugen gestern in der ARD nicht grundsätzlich aus.

Ukraine meldeet mehrere Tote nach Beschuss von Cherson

Im südukrainischen Cherson wurden derweil nach Behördenangaben drei Menschen durch russischen Beschuss getötet. Sechs weitere seien verletzt worden, teilte die Chersoner Gebietsverwaltung mit. Getroffen wurde demnach unter anderem ein Klinikgebäude. Die Gebietshauptstadt des gleichnamigen Gebiets Cherson, die die ukrainische Armee vor wenigen Monaten zurückerobert hat, wird immer wieder von Russlands Streitkräften heftig beschossen.

Die russischen Besatzer in der benachbarten Region Saporischschja berichteten ihrerseits von vier Toten durch ukrainischen Beschuss. Die Angaben aus dem Kriegsgebiet lassen sich oft schwer unabhängig überprüfen.

Saporischschja gehört neben Cherson, Donezk und Luhansk zu den ukrainischen Gebieten, die Russland in Teilen besetzt hält und im vergangenen Jahr annektiert hat. Darüber hinaus hat sich Moskau bereits 2014 die Schwarzmeer-Halbinsel Krim völkerrechtswidrig einverleibt.

Russische Raketen auf Charkiw

Bei einem Raketenangriff auf die ostukrainische Stadt Charkiw wurde spät gestern Abend ein Wohnhaus in der Stadtmitte getroffen. Dabei starb mindestens ein Mensch, drei weitere Bewohner wurden verletzt. Wie der Militärverwalter Oleh Sinegubow mitteilte, suchten Helfer in den Trümmern nach möglichen weiteren Opfern.

Ukraine schadenfroh über Angriff auf iranische Militäranlage

Schadenfroh zeigte man sich in der Ukraine über einen Angriff auf eine Militäranlage im Iran. Kiew hat Teheran in den vergangenen Monaten immer wieder für die Lieferung von Kampfdrohnen an Moskau kritisiert. „Die Logik des Krieges ist unerbittlich und mörderisch“, schrieb der Berater im ukrainischen Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, auf Twitter. „Und er stellt den Urhebern und Komplizen harte Rechnungen aus. (...) Die Ukraine hat euch gewarnt.“

In der Nacht zu Sonntag war nach einem Bericht der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur Irna eine Munitionsfabrik des Verteidigungsministeriums nahe der Metropole Isfahan mit mehreren kleinen Fluggeräten angegriffen worden. Nach Angaben des iranischen Verteidigungsministeriums handelte es sich um einen militärischen Angriff, bei dem aber niemand verletzt worden sei.

Derweil bestellte der Iran den ukrainischen Geschäftsträger einbestellt. Als Grund nannte das Außenministerium Äußerungen eines Beraters von Präsident Wolodymyr Selenskyj und „rachsüchtiges Vorgehen“ der Regierung in Kiew, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Tasnim.


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Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Stationierung taktischer Atomwaffen in der ehemaligen Sowjetrepublik Belarus angekündigt. Darauf hätten sich Moskau und Minsk geeinigt, sagte Putin am Samstagabend im Staatsfernsehen. Russland verstoße damit nicht gegen internationale Verträge.