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Russische Atomwaffen nach Belarus: Sofia will Verhandlungen
Bulgariens Vizepräsidentin Ilijana Jotowa hat angesichts der vom Kreml angekündigten Verlegung russischer Atomwaffen nach Belarus zu Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine aufgerufen. Die Lage werde „immer gefährlicher und furchterregender“, sagte die Vizepräsidentin des südosteuropäischen Landes am Sonntag in Sofia. Deshalb riefen sie und der bulgarische Staatspräsident Rumen Radew immer wieder zu Verhandlungen auf: „Das sind keine leeren Worte“, sagte Jotowa. Dies sei der Wunsch Bulgariens, weil mehr Rüstung in allen Ländern zu unvorhersehbaren Entscheidungen führe und nun in der Praxis ein ernsthafter Krieg drohe.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Samstagabend bekanntgegeben, dass sich Russland und Belarus auf die Stationierung taktischer Atomwaffen verständigt haben. Bulgariens Vize-Präsidentin Jotowa sagte dazu: „Ich hoffe, dass die Vernunft doch siegen wird. Und dass es in diesem Fall vielmehr um Drohungen geht, als um wirkliche Handlungen.“
Von Putins Atomplänen nicht einschüchtern lassen
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Die Union im Bundestag rät zu Gelassenheit im Umgang mit der russischen Ankündigung, Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Die Nato sei darauf „längst eingestellt“, sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag). Eine kurzfristige Reaktion halte er deshalb für unnötig. „Durch eine modernisierte, glaubwürdige nukleare Teilhabe in Europa benötigen wir keine zusätzliche Stationierung von Nuklearwaffen in weiteren Nato-Staaten“, sagte er. Langfristig solle die westliche Militärallianz dies aber nicht ausschließen.
Weiter sagte er, bislang wirkten die Nukleardrohungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin insbesondere in Deutschland. „Putin zielt hier auf Angst und Selbstabschreckung durch permanente Betonung eines völlig unrealistischen Atomkriegs.“ Damit erreiche Russland das Ziel permanenter Verunsicherung. „Das dürfen wir nicht zulassen, sondern müssen unsere Bevölkerung ruhig und sachlich aufklären“, sagte er.
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter. „Unsere Aufgabe ist es, weitere Sanktionen auf europäischer Ebene zu erlassen und die Ukraine weiter zu unterstützen“, sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Nukleare Drohungen gehören seit Beginn des russischen Angriffskriegs zum Repertoire des Kreml.“ Es gebe allerdings weiterhin keine Hinweise darauf, dass Russland seine Atomwaffen tatsächlich einzusetzen plane. „Das Ziel der Drohungen ist, die westliche Unterstützung der Ukraine zu untergraben.“
US-Institut: Keine wachsende Gefahr eines Atomkriegs
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Die angekündigte Stationierung taktischer Nuklearwaffen in Belarus bedeutet aus Sicht von US-Experten keine wachsende Gefahr eines Atomkriegs. Die Ankündigung vom Samstagabend sei unbedeutend für das „Risiko einer Eskalation hin zu einem Nuklearkrieg, das extrem niedrig bleibt“, hieß es in einer Analyse des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW). Schon bisher könne Russland mit seinen Atomwaffen jeden Punkt der Erde erreichen. Putin sei aber ein „risikoscheuer Akteur, der wiederholt mit dem Einsatz von Atomwaffen droht, ohne Absicht, das auch durchzuziehen“.
Putin wolle im Westen Ängste vor einer atomaren Eskalation schüren, um so die Unterstützung für die Ukraine etwa bei der Lieferung schwerer Waffen zu brechen. Nach ISW-Einschätzung ist es weiter „sehr unwahrscheinlich, dass Russland nukleare Waffen in der Ukraine oder anderswo einsetzt“. Putins Schritt habe sich bereits vor dem Krieg in der Ukraine angekündigt, teilte das ISW mit. Russland zementiere mit der Stationierung nuklearer Waffen in Belarus vor allem seinen Einfluss in der Ex-Sowjetrepublik.
In der neuen ISW-Analyse zweifeln die Experten auch an der Ankündigung Putins, in diesem Jahr 1600 Panzer neu zu bauen oder zu modernisieren. Demnach kann Russlands einzige Panzerfabrik Uralwagonsawod (UVZ) monatlich nur 20 Panzer produzieren, verliere aber im Krieg in der Ukraine täglich ein Vielfaches davon.
Putin versuche vor allem, eine „Aura der Sowjet-Ära“ mit ihrer damals starken Militärindustrie zu erzeugen, stellen die ISW-Autoren fest. Seine Äußerungen hätten aber nichts mit der Wirklichkeit zu tun, dass die Wirtschaftskraft und die militärischen Kapazitäten der USA und der Europäer denen Russlands überlegen seien.